Schlaglicht HafenCity: Von Pioniergeist und Wolkenkuckucksheimen

Frank W. Jacob war einer der Ersten, der 2004 in die HafenCity zog und seitdem sein Zuhause dort gefunden hat. Im Interview berichtet Frank von den Freuden und Eigenarten eines Stadtteils, der erst erwächst. Seine Perspektiven sind persönlich, werfen aber auch grundsätzliche Fragen für gegenwärtige und zukünftige Stadtentwicklungsprojekte auf – und führen uns in einen besonderen Teil Mittes, der für Staunen und für Kritik sorgt.    

Wann bist Du in die HafenCity gezogen und was hat Dich daran gereizt?

Also ich bin ja geborener Hamburger und bin damals 2004, wieder nach Hamburg zurückgekommen. Es war purer Zufall, als ich im August 2004 hier über den Sandtorkai gefahren bin, wo ich längere Zeit gar nicht war und dann durch Zufall ein Schild hier am ersten Haus, das dann fertiggestellt wurde, am Kai zu sehen, dass dort ein Apartment zu besichtigen war. Und das habe ich dann gemacht und ich musste mich dann auch sehr schnell entscheiden, weil das Interesse groß war. Im Dezember 2004 bin ich hier dann eingezogen. Es hatte nichts damit zu tun und stand damals noch gar nicht zur Debatte, dass das irgendwie besonders schick wird oder wie das Viertel wird. Das war alles ein großes Fragezeichen, es war einfach nicht gesettelt. Alles war neu und es entstand etwas Neues mitten in der Stadt. Das hat mich gereizt.

Wie hat sich seither das Leben in der Hafencity verändert?

Also das ist damals natürlich das komplette Kontrastprogramm zu heute gewesen. Beim Blick aus meinen Fenstern sah man eigentlich nur Wasser und Sand. Man sah die drei verschiedenen Hafenbecken, die Elbe drumherum und viel gelben Sand von übrig gebliebenen abgerissenen Schuppen, die es schon nicht mehr gab. Man sah den Backsteinsockel des Speichers, dort wo wir uns heute an die Elbphilharmonie gewöhnt haben. Damals ein Solitär, der da einfach zwischen Hafenbecken und Elbe eingeklemmt saß und irgendwie auf andere Zeiten wartete. Aber es war alles ganz nah, von der Außenalster hierher war es nur eine Viertelstunde Gehweg. Dort ist es voll gewesen, und hier war abends ab 18:00 Uhr absolute Leere, weil noch niemand hier wohnte. Es gab keine Busse, keine Autos, keine Ampeln, keine Zebrastreifen. Es gab hier wirklich nichts. Trotzdem war es relativ unproblematisch hier zu leben, weil – und das macht ja das Schöne aus -, die HafenCity ja eine Ergänzung zur Innenstadt ist. Es gab eben nur direkt hier in der Umgebung von wenigen 100 Metern nichts. 

Heute haben wir hier ein gutes soziales Gefüge, kennen uns zum Teil seit vielen Jahren auch in die Nachbarschaften hinein. Und man darf nicht vergessen: Die Menschen, die hier in den ersten Jahren hingezogen sind, die fanden einfach das Projekt HafenCity spannend. Und deswegen hatten wir auch von Anfang an hier Anwohner, Gruppen, die sich gebildet haben, die aktiv und zum Teil sehr kritisch mit der HafenCity Hamburg GmbH in den Dialog getreten sind und sich engagiert haben in vielerlei Hinsicht.

Welche Chancen hat die Stadt in Deinen Augen als Bewohner mit so einem neuen zentrumsnahen Stadtteil genutzt und welche verschenkt?

Für mich war vor allem der Weg dahin das Spannende. Auf die Vollendung der einzelnen Bauprojekte habe ich nicht gewartet oder darauf, dass die Elbphilharmonie dann irgendwann endlich fertig wurde. Ich fand jeweils die Schritte dazwischen spannend. Mir war natürlich bewusst, 2004, dass das jetzt nicht mit einem Fingerschnippen fertig wird. Seit fast 20 Jahren bin ich jetzt hier und das Augenscheinliche ist natürlich, dass ein Stadtteil um uns herum gewachsen ist. Das für mich bemerkenswerteste ist natürlich, dass sich hier ganz viele unterschiedliche Habitats gebildet haben. Mit ganz vielen neuen Menschen, die hier leben oder arbeiten und Menschen, die hier hinkommen, um sich Sachen anschauen und Sachen zu erleben. 

In Puncto Versäumnisse ist das Verkehrskonzept für die HafenCity zu nennen, das immer noch auf einem Verkehrskonzept der 90er und frühen 2000er-Jahre basiert – 4, 6 und sogar 8-spurige Straßen, der Fahrradverkehr wurde erst nachträglich berücksichtigt, und das immer noch zu wenig und qualitativ schlecht, wie die letzten tragischen Unfälle mit Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen beweisen.

Wo sollte Deines Erachtens nachgebessert werden?

Die HafenCity wird immer ausstrahlen, dass sie ein ehemaliges Industriegebiet ist – viel Beton und Stein und versiegelte Böden, das war ja auch so gewollt. Die punktuellen Parks und Grünflächen sind gut geworden, aber in Relation zur gesamten Größe des Stadtteils unbedeutend. Deshalb ist es so wichtig, gute Verbindungen in die benachbarten Grüngebiete zu schaffen, wie z. B. zum Entenwerder Elbpark, wo demnächst eine neue Fußgänger*innen- und Radfahrer*innenbrücke die HafenCity mit diesem fantastischen Park am Wasser viel enger und besser verbindet.

Außerdem wird seit nunmehr 20 Jahren davon gesprochen, die Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Rathaus für Fuß- und Radverkehr besser mit der HafenCity über die Willy-Brand-Straße hinweg zu verbinden. 20 Jahre. Passiert ist nichts. Gerade schlägt die neue Innenstadtkoordinatorin eine Seilbahn vor. Ernsthaft? Wir brauchen nicht weitere 20 Jahre Wolkenkuckucksheime, sondern gute, solide Projektvorschläge, die dann auch zeitnah in die Umsetzung gehen können. Ansonsten wird es weitere 20 Jahre die künstliche Trennung zwischen Innenstadt und HafenCity geben – zum Nachteil der Bewohner*innen, der Tourist*innen, der Geschäftstreibenden, und damit auch zum Nachteil der ganzen Stadt Hamburg. Die Überwindung der Willy-Brand-Straße ist eine Jahrhundertaufgabe, aber sie muss endlich angegangen werden, da es keine Alternative dazu gibt.