Interview mit Michael Leipold 31. Januar 202431. Januar 2024 Michael Leipold lebt in Hamm und praktiziert als Rechtsanwalt in St. Georg. Für die GRÜNE Fraktion sitzt er als zugewählter Bürger im Regionalausschuss Hamm-Horn-Borgfelde und im Jugendhilfeausschuss. In den 90er Jahren hast du im thüringischen Jena Rechtswissenschaften und Philosophie studiert. Während deines Referendariats bist du gleichermaßen nach Hamburg und zu den GRÜNEN gekommen und lebst und arbeitest seit über 20 Jahren hier. Warum ist die Wahl auf Hamburg gefallen? Nach dem Studium und dem Referendariat stand die Entscheidung an, wie es beruflich los- oder weitergeht. Hamburg war schon seit meiner Kindheit für mich eine sehr interessante Stadt: Der Hafen, die Speicherstadt waren ja sehr oft Filmkulissen, und Hamburg war auch deshalb hinter der Mauer gegenwärtig. Dann gab es in den 80ern die Hausbesetzungen in der Hafenstraße, was im Osten als Protest der Unterdrückten gegen den Imperialismus dargestellt wurde, und die Bilder von den Häusern und den Menschen beeindruckten mich wiederum. 1991 war ich das erste Mal in Hamburg, und da stand für mich fest, dass diese Stadt es später sein muss. 1999 hatte ich die Möglichkeit, eine Station im Referendariat bei der rechtspolitischen Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion zu absolvieren. Seit 2001 lebe ich in Hamburg. Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden und warum fiel die Entscheidung auf die GRÜNEN? Zu Beginn des Studiums hatte ich mich in Jena zunächst in der „Studentischen Linken“ engagiert, hatte aber auch persönlichen Kontakt mit Landtagsabgeordneten der GRÜNEN. In der ersten Legislaturperiode brauchte die Fraktion unter anderem jemanden, der von Recht und Verfassung Ahnung hat. Da hatte ich dann einen Job als Referent für Rechtsfragen – obwohl ich erst im vierten Jura-Semester war – und konnte die Fraktion in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss beraten. Anschließend wurde ich im März 1993 Mitglied der GRÜNEN in Jena. In der laufenden Legislatur sitzt du für uns GRÜNE Jugendhilfeausschuss (JHA). Was macht deiner Ansicht nach diesen Ausschuss besonders? Der Jugendhilfeausschuss ist ein besonderer Ausschuss. Er ist festgeschrieben im Kinder- und Jugendhilfegesetz und dem Jugendamt zugeordnet. Thematisch ist er weit gefächert, und gleiches gilt auch, was seine Besetzung angeht. Neben der Verwaltung, den Fraktionsmitgliedern und zugewählten Bürgerinnen und Bürgern sind unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Jugendhilfeeinrichtungen und Trägerschaften sowie verschiedene beratende Mitglieder, z.B. aus Justiz oder Polizei, dabei. Selbst eine Richterin, mit der ich ab und zu beruflich zu tun habe, habe ich im Jugendhilfeausschuss wiedergetroffen. Besonders treibt mich die Frage um, wie man Kinder und Jugendliche am Ausschuss beteiligen kann. Zwar gibt es gesetzgeberische Initiativen, die Gremien zu erweitern, letztlich sind das aber meist sehr bürokratische Prozesse. Grundsätzlich wird im JHA institutionell gearbeitet, beispielsweise geht es um Öffnungszeiten und Angebote in Jugendzentren. In dieser Legislatur ist es nur einmal vorgekommen, dass Jugendliche im Ausschuss anwesend waren und uns mitteilten, dass sie sich mehr Unterstände in Parks wünschen, um sich dort auch bei schlechtem Wetter treffen zu können. Erst dank dieses Besuches ging uns auf, dass wir an den Bedürfnissen unserer Zielgruppe vorbei arbeiten! Dass wir unsere Ressourcen nicht besser nutzen können, ist schade. Was macht deines Erachtens den Regionalausschuss Hamm-Horn-Borgfelde aus? Wenn nach meinem Eindruck die entscheidenden Themen eher in den Fach- als in den Regionalausschüssen verhandelt werden, gibt der Regionalausschuss Gelegenheit, auf konkrete Problemlagen vor Ort aufmerksam zu machen und bei der Verwaltung – auch mal kritisch – nachzufragen. Für den Regio HHB ist eines der großen Themen die Bebauung von Hamm-Süd mit dem Osterbrookviertel. Die Schließung des beliebten Aschbergbades ist für Bürgerinnen und Bürger vor Ort schwierig zu vermitteln. Warum es jetzt schon den zweiten bzw. dritten Sommer kein neues Bad gibt und es vor Ort nicht weitergeht, genauso wenig. Unsere Aufgabe ist es, diese Vorgänge zu vermitteln und mit Blick auf die Zukunft positiv zu formulieren. Man muss den Menschen, die in die Ausschüsse kommen, und das gilt gerade für den Regionalausschuss, auch wirklich zuhören und ihre Anliegen ernst nehmen. Ich erinnere mich an Situationen, in denen Bürgerinnen und Bürger ein Anliegen zum Radverkehr zwischen dem Osterbrookviertel und Hammerbrook vorbereitet hatten und von einem Vertreter der DeKo damit abgebürstet wurden, dass wir nicht dafür zuständig seien. Das führt zu verständlichem Unmut und selbst wenn dies fachlich stimmt und die Zuständigkeit beim Senat liegt, so kann man dies den Menschen positiv vermitteln. Ein gesamtes Quartier wird hier umgekrempelt, 8.000 neue Menschen kommen dazu – das benötigt passende Infrastruktur von Einkaufs- und Freizeitangeboten, medizinischer Versorgung bis hin zu Kitas und Schulen. Die Legislatur neigt sich ihrem Ende entgegen. Was nimmst du mit, was wünschst du dir von der nächsten Legislatur? Für mich persönlich empfand ich diese Zeit in der Opposition als schwierig, da wir in vielen Bereichen nicht wirksam werden konnten. Gerade im JHA, in dem parteiübergreifend an wichtigen Themen der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet werden sollte, haben wir derzeit einen schweren Stand. Unsere Versuche, Themen oder Anträge zu platzieren, sind praktisch abgeschmettert worden, und wir werden als Opposition behandelt. Ich hoffe und wünsche mir, dass wir in der nächsten Legislatur hier wieder mehr mitgestalten können. Ich wünsche mir, dass wir untereinander einen respektvollen Umgang pflegen und mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger offen für ihre Ideen sind. Auch wenn ein Thema nicht in die Zuständigkeit des Regio HHB fällt, so kann man diesen Personen, die sich Mühe gemacht und sogar etwas vorbereitet haben, positiv vermitteln, dass wir uns freuen, dass sie sich an uns wenden. Dass sie sich Gedanken machen um ihr Quartier und bereit sind, aus der schweigenden Menge herauszutreten. Es ist unangenehm zu sehen, dass Menschen sich engagieren, um dann eine blanke Abfuhr zu bekommen und abgekanzelt zu werden. Ich denke, da muss sich niemand wundern, wenn Menschen demokratieverdrossen werden und das Vertrauen in bestehende Strukturen verlieren.