Lothar Knode: Das GRÜNE Archiv in Person 9. November 20229. November 2022 Lothar Knode mischt seit über 20 Jahren aktiv mit in der Bezirkspolitik der GRÜNEN in Mitte. Seit den 1980er Jahren war er in der Landespolitik und als zugewählter Bürger aktiv und ist mittlerweile Abgeordneter in der Bezirksversammlung. Seine Expertise bringt er unter anderem im Jugendhilfeausschuss und im Sozialausschuss ein. Was macht Bezirkspolitik für dich besonders? In der Landespolitik geht es eher abstrakt darum, Bundesgesetze auf die Landesebene zu übersetzen. Auf der Bezirksebene kommt man ins konkrete Tun und die Umsetzung für und mit den Menschen vor Ort. Mitte ist der wohl attraktivste und interessanteste Bezirk Hamburgs! Hier gibt es viele große Kultureinrichtungen, pulsierende Stadtteile wie St. Georg, St. Pauli und die HafenCity, aber auch viele soziale Probleme. Viele soziale Agenturen, beispielsweise für Drogenabhängige oder Wohnungslose, sind in Mitte angesiedelt. Besonders ist auch, dass viele Entscheidungen getroffen werden, bei denen viele Hamburger*innen mitreden wollen. Mitte unterscheidet sich dadurch sowohl qualitativ als auch quantitativ von anderen Bezirken. Welche politischen Ziele stehen momentan ganz oben auf deiner Agenda? Ein Hauptanliegen ist mir die medizinische Versorgung in ärmeren Stadtteilen wie beispielsweise Wilhelmsburg und Billstedt. Die Verbesserung der medizinischen Grundversorgung durch Hausärzt*innen ist hier enorm wichtig! Außerdem müssen Jugendeinrichtungen attraktiver gestaltet werden, damit sich die Jugendlichen nicht in Schutzräumen außerhalb von Jugendeinrichtungen treffen müssen. Ein weiteres Anliegen ist mir, dass Großveranstaltungen nicht immer in den stark belasteten Stadtteilen in Mitte stattfinden, sondern der Schlagermove zum Beispiel mal durch Eppendorf geht… Im Jahr 2008 gab es einen Neuzuschnitt der Bezirke, Mitte verlor die Sternschanze und gewann Wilhelmsburg dazu. Welche Veränderungen waren damit verbunden? Zunächst haben wir den Verlust der Schanze sehr bedauert, denn das ganze Quartier war damals eine Hochburg der GRÜNEN. Der Neuzuschnitt stellte uns aber auch vor praktische Herausforderungen, denn durch den Zugewinn des viel größeren Stadtteils Wilhelmsburg gewann Mitte viele, viele Einwohner*innen dazu. Für beispielsweise die Jugendpolitik hatte das erhebliche Folgen, denn die Anzahl der Stellen und die finanzielle Ausstattung blieben aufgrund der Rahmenzuweisung trotzdem gleich, sodass Stellen gestrichen und Jugendzentren zusammengelegt werden mussten – das war ein echter Kraftakt damals. Heute gehört Wilhelmsburg selbstverständlich zu Mitte, das ist gar keine Frage! Im Januar 2012 machte der Tod der elfjährigen Wilhelmsburgerin Chantal, die an einer Überdosis Methadon gestorben ist, bundesweit Schlagzeilen. Auch damals warst du schon im Jugendhilfeausschuss, was hat sich seitdem verändert? Ich selbst bin von Beruf Sozialpädagoge und habe früher selbst im sozialen Dienst gearbeitet. Wir alle waren sehr betroffen. Der Tod von Chantal war ein tragischer Fall, der nicht hätte passieren dürfen. Damals waren zu viele soziale Agenturen involviert, zwischen denen der Fall gewissermaßen durchgerutscht ist. Anders als bei dem ersten Todesfall in Neu-Allermöhe in Bergedorf, wo viel zu viele Fälle auf zu wenige Mitarbeitende kamen, war die Ursache hier aber nicht einfach Personalmangel und Überlastung. Die Jugendämter gerieten damals in die Kritik. Es wurden neue Kontrollmechanismen und andere Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingeführt und mehr Personal eingestellt. Dadurch hat sich viel verbessert in Sachen Kinderschutz, sodass solche Fälle heute kaum noch denkbar wären. Aber Hamburg wächst durch die Erschließung neuer Quartiere und den Zuzug von Asylbewerber*innen nach wie vor an Einwohner*innen, besonders in Mitte. Im Jugendhilfeausschuss setzen wir das immer wieder auf die Tagesordnung, um zu überprüfen, wie viele Fälle durch wie viel Personal betreut werden müssen, und um sicherzustellen, dass die Versorgung weiterhin gewährleistet ist. Wie kam es dazu, dass du als Bezirksabgeordneter mit einer Delegation nach Shanghai gereist bist? Hamburg hat schon lange eine Städtepartnerschaft mit Shanghai, parallel dazu entwickelte sich eine Bezirkspartnerschaft mit dem innerstädtischen Shanghaier Bezirk Hongkou. Denn allein hier in Mitte sind über 500 chinesische Unternehmen beispielsweise in der Tourismus-Branche oder der Logistik angesiedelt. Das erste Mal waren wir 2008 in Shanghai, um uns in die chinesische Mentalität einzudenken. Als die chinesische Delegation in Hamburg zu Besuch war, gehörte es zu meinen Aufgaben, unsere Gäste zu begleiten und Treffen zu vermitteln, beispielsweise mit Airbus, der IBA, und IGS, aber auch mit sozialen Agenturen. Damit sich Menschen in Mitte eine Vorstellung von Hongkou machen können und andersherum, hatte ich 2013 die Idee, eine Fotoausstellung zu initiieren: Es gab jeweils einen Wettbewerb von Amateurfotograf*innen. Die Ergebnisse wurden bei uns in der Rathausdiele und im zentralen Museum in Shanghai ausgestellt. Ein tolles Projekt! Später wollte ich bekannte Street-Art Künstler*innen aus Mitte für ein Projekt mit Kalligrafie-Spezialist*innen aus Hongkou zusammenbringen, daraus wurde bisher aber leider nichts. Denn der vorherige Bezirksamtsleiter hatte wenig Bezug zu China und die Partnerschaft ist dadurch bedauerlicherweise etwas eingeschlafen. Welche guten Wünsche hast du für die GRÜNEN in Mitte anlässlich des Jubiläums? Vor fünf Jahren hatten die GRÜNEN in Mitte um die 280 Mitglieder, heute sind es fast 600 Mitglieder. Das ist ein beeindruckender Zuwachs! Ich rätsele aber immer noch, woran es liegt, dass viele Neue noch nicht so richtig in der Partei angekommen sind, wenig mitgestalten und auf der Bildoberfläche noch nicht so stark sichtbar sind. Wir tun bereits viel, um diese Menschen gut bei uns zu integrieren, das bleibt aber eine große Aufgabe für die kommenden Jahre. Gerade um bei der nächsten Bezirkswahl einen schlagkräftigen Wahlkampf machen zu können und viele gut geeignete und willensstarke Kandidat*innen für die zukünftige Fraktion und als zugewählte Bürger*innen aufstellen zu können! Vielen Dank für den Einblick in viele Facetten von Bezirkspolitik!